Nun habe ich als Erwachsene Dank YouTube schon so einige Strudelvideos gesehen. Einfach, weil es mich interessiert hat ob es denn wirklich so ist. Aber was ich gefunden habe, waren zumindest keine Seemannslegenden-Strudel, mehrere Meter breit, Schiffe in den Sog ziehend, mörderisch und bis an den Grund reichend. Vielmehr sind die meisten Strudel von Menschenhand gemacht bzw. von diesen verursacht: man findet sie in der Nähe von Staumauern und Talsperren, überall dort, wo kontrolliert Wasser (meist mittels Turbinen) abgelassen wird und auch an Überlauföffnungen wie zB dem Glory Hole im Lake Berryesse. Natürlich auch in freier Natur, zumeist in reißenden Gewässern, deren Strömungsrichtungen sich wild kreuzen und somit Strudel erzeugen, in der Nähe und unter Wasserfällen (dort treten auch Walzen auf) sowie in Stromschnellen.
Mit diesen Informationen war ich doch ein wenig beruhigter.
Bis ich auf ein Video traf, das seit einigen Tagen die Runde auf Facebook macht. Und das alle Kindheitsängste, Strudel betreffend, triggert. Vielleicht hat der eine oder andere es ebenfalls schon gesehen, es trägt den Titel "Hungriger See". Für diejenigen, denen das Video (mit mittlerweile über 4 Millionen views) nichts sagt, schaut euch das hier an. Und wenn ihr anfangs noch denkt "Oh, ja. Ein Strudel. Und?" - wartet es ab. Ab etwa 2 Minuten dürften auch eure Augen immer größer und größer werden:
Puh. Mich schaudert es nach wie vor, wenn ich das sehe, und ich hab mich gefragt, was dort denn nur passiert ist?!
Also habe ich Google angeschmissen. Leider nicht sehr erfolgreich.
Mittlerweile weiß ich, dass das in Lettland aufgenommen wurde. Aber weder ist der Name des Sees (oder Fluss?) bekannt noch, was den Strudel verursacht hat.
Auf irgendeiner Seite habe ich gelesen, dass es ein längeres Video gegeben habe das zeigte, dass das ganze Zeug das runtergesaugt wurde hinter der Insel, auf der die Menschen standen, die das Ganze gefilmt und kommentiert haben, wieder hochgespült wurde. Es war auch ein Video verlinkt, allerdings war dieses gelöscht.
Ich glaube auch nicht so ganz daran, dass es dieses Video gegeben hat. So schnell, wie diese ganze Geschichte viral gegangen ist und so oft, wie das Originalvideo auf anderen Kanälen geuploaded wurde, wäre auch das vermeintlich längere, aufklärende Video hochgeladen worden.
Alle Berichte rund um dieses Video besagen nicht mehr, als dass es sich in Lettland abgespielt hat und wirklich extrem beeindruckend / angsteinflößend ist. Soweit, so gut, aber wirklich weiter bringt es einen leider nicht. Zu gerne hätte ich gewusst, was dort wirklich passiert ist, denn ein solcher Strudel mit einer solchen Ansaugkraft ist alles andere als normal.
Daher war meine erste Vermutung, dass sich unter dem See eine Art Höhle / Höhlensystem / Doline / Bergstollen befunden hat und dieser an dieser einen Stelle eingestürzt ist. Das Wasser schoss also in den Hohlraum darunter, mit einer Mordsgeschwindigkeit und Kraft, und so ließe sich wohl auch erklären, wie diese ganzen großen Eisschollen und Trümmer auf Nimmerwiedersehen mit in die Tiefe gezogen werden konnten.
Andere vermuten, dass das Video in der Nähe einer Damm-Überlauföffnung aufgenommen wurde, allerdings sah mir die Stelle sehr untypisch aus - aber was weiß ich schon. :D Ich möchte auch nicht bezweifeln dass es tatsächlich so ist, denn ich würde vermuten, bei einer Art Höhlendeckeneinsturz würde durch die ganze Kraft, die das hineinströmende Wasser und die Trümmerteile mit sich bringen, immer mehr einstürzt und somit Loch wie auch Strudel immer größer würden.
Eine weitere Möglichkeit, die ich persönlich für am wahrscheinlichsten halte (hierzu würde auch die oben genannte Geschichte passen, dass der ganze Unrat hinter der Insel, auf der sich die Männer befunden habe, wieder herausgespült wurde), wäre Karst. Dieses Gestein ist sehr porös, und besteht der Untergrund aus Kalkgestein, entsteht ein Ponor. Das ist eine Art Loch, das in einer Art Höhlenführung das Wasser unterirdisch hindurchleitet - bis es andererorts wieder ans Tageslicht kommt. Da sich der "Grund des Strudels" aber unter Wasser befand, hat es sich wohl am ehesten um einen Schlinger gehandelt:
Schlinger bezeichnet jenen Fall, in dem die Zuflussmenge größer ist als die Durchflusskapazität des Höhlensystems. Dadurch befindet sich die Öffnung, durch die das Wasser in den unterirdischen Hohlraum abfließt, unterhalb der Gewässeroberfläche.Aber es könnte genauso gut eine Straße oder ähnliches gewesen sein, die vom Tauwasser geflutet wurde, und der ganze Unrat verschwand in einem offenen Gully, wer weiß, wer weiß..
Allerdings bringt mich das auf eine Geschichte, die im Jahre 1980 passiert ist, auch bekannt unter dem Namen "Lake Peigneur".
Dieser ehemals gerade einmal 3 Meter tiefe Süßwassersee im US-Bundesstaat Loiusiana war bei Anglern sehr beliebt.
Am 20. November 1980 allerdings ereignete sich etwas, das bis dahin noch niemand erlebt hatte: unterhalb des Sees befand sich ein Salzbergwerk, gleichzeitig wurde oberhalb des Gewässers nach Öl gebohrt.
Durch einen (sehr) unglücklichen Rechenfehler kam es, dass der 36 cm dicke Bohrer versehentlich in die Salzmine eindrang und die Oberschicht der dritten Ebene der Mine durchlöcherte. Dies führte somit natürlich zum Badestöpsel-Effekt: das Wasser floss ab. Es standen jede Menge Hohlräume unter dem See zur Verfügung, die dieser nach und nach füllte. Hierzu schreibt Wikipedia:
Der entstandene Strudel verschluckte die Bohrplattform, elf Schuten, viele Bäume und insgesamt 260 000 m² umliegendes Gelände.Der riesige Strudel zog alles mit sich in die Tiefe, zudem vergrößerte er sich ständig, da der angebohrte Boden unter dem See dem Druck nicht mehr stand hielt und sich die Öffnung immer weiter eröffnete. Der Salzstock füllte sich zusehends, und da die Luft nicht anders entweichen konnte, entstanden Geysire bis zu 120 m Höhe.
einestages (Zeitgeschichten auf Spiegel Online) schreibt dazu:
Der Lake Peigneur hatte sich inzwischen in einen alles verschlingenden Abgrund verwandelt. Durch das wachsende Loch im Bergwerk floss der See immer schneller ab. Und je größer der Strudel wurde, desto mehr zog er hinab: Mittlerweile hatte er nicht nur Leonce Viators kleines Motorboot, elf Lastkähne und das dazugehörige Ladedock sowie eine zweite Bohrplattform verschlungen, sondern auch angefangen, Teile des Ufers abzubrechen. Und so riss er auch einen kompletten Parkplatz, mehrere Traktoren, einen Wohnwagen und vier voll beladene LKW in die Tiefe, sowie 26 Hektar der Halbinsel Jefferson Island und ihres botanischen Gartens, mitsamt Blumenbeeten, Gewächshäusern und 50 Meter hohen Pekannussbäumen.Das allerdings war noch nicht alles: der See verlor innerhalb von drei Stunden beträchtlich an Höhe, so auch wurde er auch allmählich vom Delcambre-Kanals abgeschnitten, den er noch kurz zuvor mit Süßwasser gespeist hatte.
Durch den stetig fallenden Wasserspiegel im Lake Peigneur änderte sich die Flussrichtung des Delcambre-Kanals: statt dass der See den Kanal mit Wasser fütterte, floss das Wasser des Kanales auf einmal rückwärts und leitete nun auf einmal Wasser aus der Vermillion Bay in das alles verschlingende Loch!
Da sich gleichzeitig durch den Druck der Grund des Lake Peigneur abgesenkt hatte, war die Stelle, an der zuvor der See auf einer Ebene auf den Delcambre-Kanal traf, quasi abgebrochen. So stürzte der Kanal, dessen Fließrichtung nun auf einmal rückwärts ging, in den See hinunter, miti 50 Metern als (kurzzeitig) höchster Wasserfalls Louisianas.
Lake Peigneur füllte sich nach einigen Tagen wieder auf, aber der ehemals nur 3 Meter tiefe See war nun auf einmal 61 Meter tief. Auch das Süßwasser, aus dem der See zuvor bestanden hatte, war nun Salzwasser. Was weniger am Salzbergwerk lag, das geflutet wurde, viel mehr aber am Delcambre-Kanal, der auf einmal rückwärts floss und das Salzwasser aus der Vermillion Bay mit sich in den See zog und damit auffüllte.
Eine schier unglaubliche Geschichte, aber fast noch unglaublicher ist, dass trotz dass sich zum Zeitpunkt des Unfalles Menschen in der Mine wie auch auf dem See befunden haben, tatsächlich kein Mensch ums Leben gekommen ist.
Die Quellen für die einzelnen Zahlen (Höhe des Wasserfalles, Tiefe des Sees heute) sind sich teilweise etwas uneinig, aber das englische Wikipedia wie auch einestages stimmen überein, daher habe ich diese Zahlen übernommen.
Aber ihr könnt auch gerne alles selbst nachlesen und -schauen:
Source 1: einestages (Zeitgeschichten auf Spiegel Online)
Source 2: (Lake Peigneur) Wikipedia (eng)
Source 3: (Lake Peigneur) Wikipedia (ger)
Source 4 (Strudel) Wikipedia (ger)
Source 5 (Lake Peigneur Video) YouTube (eng)
Source 6 (Karst) Wikipedia (ger)
Source 7 (Ponor) Wikipedia (ger)
Um mehr aus dieser Reihe zu lesen, klickt entweder auf den tag oder auf "Unser Planet" unter meinem Header.
woah, heftig, also sowohl das Video als auch was am Lake Peigneur passiert ist. unglaublich o_O
AntwortenLöschenGroßer Gott, wenn ich mir vorstelle wie das Wasser vom Kanal 50 in die Tiefe gestürzt ist, wow ...
AntwortenLöschen